Einleitung
Der Begriff »Vergewaltigungskultur« tauchte in den 1970er Jahren zuerst in den USA auf und wurde anschließend zu einem allumfassenden Erklärungsmuster für das Vorhandensein sexueller Gewalt in verschiedenen sozialen Bereichen: auf dem College-Campus, beim Militär, in den Gefängnissen und zu Hause. In manchen Studien wurden verschiedene Gesellschaften je nach ihrer Vergewaltigungskultur als »vergewaltigungsanfällig« oder »vergewaltigungs-frei« (Sanday 2003) kategorisiert. Wurden das normative Umfeld und die gesellschaftliche Wahrnehmung von Vergewaltigung mit dem individuellen Verhalten von Menschen verbunden, so ergab sich eine höhere oder niedrigere Zahl sexueller Übergriffe, mit mehr oder weniger harten Konsequenzen für die Täter.
Baum, Cohen und Zhukov (2018) stellten zum Beispiel in ihrer Stu-die über die amerikanische Vergewaltigungskultur fest, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Vergewaltigungskultur und der Häufigkeit von Vergewaltigungen sowie der Reaktion des Strafrechtssystems gibt. Studien mit einem Fokus auf dem Einfluss oder der Prävalenz der Vergewaltigungskultur bezogen sich zwar auf die amerikanische Gesellschaft und arbeiteten mit einem daran ausgerichteten Modell, es gab jedoch überall auf der Welt auch Studien, in denen Ursachen, Manifestationen und Konsequen-zen von Vergewaltigungskulturen in unterschiedlichen soziokulturellen Kontexten erforscht wurden (Inal und Smith 2018). Entsprechend untersucht dieser Artikel die Vergewaltigungskultur in Schweden, wie sie sich unter Jugendlichen manifestiert, von ihnen erlebt und verstanden wird. Diese Untersuchung ist vor allem im Zuge der #Metoo-Bewegung von Bedeutung und in der von ihr ausgelösten Debatte über die Selbstwahrnehmung Schwedens als eine der Gesellschaften mit der größten Gleichberechtigung weltweit und jahr-zehntelanger aktiver Förderung der Geschlechtergleichstellung. Diesbezüglich wartet der schwedische Kontext mit einigen Paradoxien auf. Die nationale #Metoo-Bewegung hat schnell und lautstark mobilisiert und das strukturelle Vorhandensein einer Vergewaltigungskultur in einem Land aufgezeigt, in . . .